Pferde kommunizieren ihre Grenzen klar
und finden so Sicherheit in der Herdenstruktur und in ihrem Rang. Nur so viel wie nötig und meist gänzlich ohne Berührung.
Natürlich kann man sich erstmal fragen, ob es ethisch überhaupt korrekt ist, Pferde zu irgendetwas zu bewegen. Diese Frage kann jeder nur für sich beantworten. Ich persönlich habe sie vor einiger Zeit mit „Ja, wenn..“ beantwortet und versuche meinen Pferden ein schönes Leben zu ermöglichen, das sie deutlich älter werden lässt, als es in der Wildnis der Fall wäre. Ich finde auch Reiten solange vertretbar, solange die Pferde aus der Zusammenarbeit als mutiger, kräftiger, zufriedener und entspannter hervorgehen.
Leider wird in der Pferdeausbildung immernoch häufig mit Zwang anstatt mit Klarheit und natürlichem Leadershipqualitäten (wie Geduld, Ruhe Verlässlichkeit, nachvollziehbare Handlungen, Fairness, situationsangepasstes Handeln usw.) gearbeitet. Ein Mensch der unklare Signale mit seiner Körpersprache aussendet, verunsichert ein Pferd und macht es damit schreckhaft (manche Pferd macht das auch aggressiv). Ein Mensch der Zwang anwendet, lässt ein Pferd in sich kehren (tote Augen) oder revoltieren (sogenannte Widersetzlichkeit).
Zwang ist dadurch definiert, dass man jemanden durch Drohungen oder übermäßiger Gewaltanwendung zu etwas zu bringt – ich würde noch hinzufügen: Grenzen der Würde werden hier überschritten und zurück bleibt beim Pferd ein Gefühl der Demütigung.
Zwang wird meiner Meinung nach irrtümlicherweise immer dann von ReiterInnen angewandt, wenn eigentlich noch ein oder mehrere Grundbausteine der Ausbildung (Gleichgewicht, Tragkraft, Kommunikationssprache, Vertrauen usw..) fehlen (worüber wiederum häufig Unwissenheit herrscht) oder die Person durch egoistische Interessen getrieben ist.
Wie fein dass man in der Arbeit mit Pferden eigentlich nie zwingen muss, wenn man bereit ist sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich Zeit zu nehmen, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und das Tempo der Ausbildung nach dem Pferd zu richten. Eine Ausnahme wäre vielleicht, wenn man gerade in Lebensgefahr schwebt, weil das Pferd dabei ist, auf eine befahrene Straße zuzugaloppieren. Dann würde ich notfalls auch alles unternehmen, damit es stehenbleibt. Mit liebevoll und fein ausgebildeten Pferden kommt man aber gottseidank praktisch nicht in diese Situation.
Auch regelmäßig Grenzen auszuloten ist ein natürliches Verhalten
über das man sich nicht ärgern muss, sondern der Stärkung des eigenen Sicherheitsempfindens des Pferd innerhalb der Herdenstruktur dient. Der Falbe fragt hier den ranghöheren Braunen spielerisch: Bist du eh noch fit uns vor Gefahren zu schützen?
An dieser Stelle möchte ich auch noch etwas anmerken: jede/r der/die nach Natural Horsemanship arbeitet und ein Pferd im Training wiederholt zwingt, mit Gegenständen kopflos abstumpft oder bis zur totalen Willenlosigkeit bricht hat etwas ganz Grundlegendes an Natural oder Horsemanship missverstanden. Das ist Unterwerfung durch Gewalt und keine fein dosierte Kommunikation wie es Pferde untereinander tun. Die Komfortzone des Pferds sollte sich durch die Arbeit mit einem Menschen immer mehr erweitern und nicht verringern.
Ein Beispiel: Angenommen ein Pferd hat Angst vor einer großen Baumaschine, die am Wegrand steht. Zwang wäre, nun dem Pferd noch eine größere Angst einzujagen (z.b. mit Schlägen und Druckaufbau) als es vor der Baumaschine hat. Im Endeffekt werden die meisten Pferde (je nach Grad an Panik) sich dadurch einschüchtern und an der Baumaschine vorbeizwingen lassen. Wie oft hört man leider auswärts die Worte „Los treib ihn vorbei, er nimmt dich nicht ernst!“.
Ich möchte hier jedoch für einen anderen Weg plädieren, der viel nachhaltiger ist. Als erstes formuliere ein klares inneres Bild: „Die Baumaschine ist unser Freund.“. Das muss ich natürlich auch authentisch fühlen und ausstrahlen, wo wir schon bei den natürlichen Leadership Qualitäten wären. Denn wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Baumaschine unser Freund ist, sollte ich nochmal genau prüfen was mich selbst eigentlich gerade verunsichert. Ähnliches gilt übrigens wenn man eine Übung reiten will und sich nicht sicher ist ob es richtig/gesund usw.. für das Pferd ist. Dann muss ich mich zuerst mit meinen eigenen Unsicherheiten beschäftigen, alles andere wäre unfair, denn Pferde spüren Zwiespalt punktgenau.
Zurück zum Beispiel mit der Baumaschine. Als nächstes stelle ich mir vor, wie das Pferd vor meinem inneren Auge ruhig und gelassen daran vorbeigeht. Auch wenn das noch überhaupt nicht der Fall ist – das ist vielleicht der schwierigste Part an diesem Zugang. Nun beginne ich einen verbal flüsternden (aufmunternde Worte) oder körpersprachlichen (aufmunternde Gesten) Dialog mit dem Pferd. Dazu nehme ich zur Verlängerung meiner Körperachse (Menschen sind bekanntlich hoch – Pferde sind lang) ein Seil oder auch eine Gerte, aber nur um das Pferd damit ganz leicht anzustupsen. Eben gerade soviel wie es eine Pferdenase von hinten vielleicht auch tun würde – eine taktile Aufmunterung, keinesfalls ein Schlag. So frage ich es, wie weit es sich seitlich hintraut aber immer nur soweit, ohne dass das Pferd überfordert oder gestresst ist. Kein Säugetiergehirn kann unter akutem Stress lernen! Bekommt das Pferd Angst, habe ich als Trainer etwas falsch gemacht und muss die Situation so verändern, dass das Pferd zwar angeregt von der neuen Situation ist, aber nicht mehr gestresst. Dann warte ich an dieser Stelle ab bis sich das Pferd richtig tief entspannt – erst dann gehe ich einen Schritt weiter.
Pferde pflegen tiefe Freundschaften
wenn die Herde und Haltung optimal für das Individuum ist
Das dauert vielleicht etwas länger als das Pferd schnell mal vorbeizuzwingen (manchmal aber auch kürzer!), aber dafür habe ich am Ende wahrscheinlich sogar Vertrauenspunkte gewonnen und einen Freund behalten. Und noch dazu einen Freund, der sich in unserer Menschenwelt (in der es ja viele unheimliche Gerätschaften gibt) nun weniger fürchten muss. Den Unterschied nach welchem Weg man gearbeitet hat, sieht man am Ende ganz klar in den Augen des Pferds. Denn ein Pferd das vom Menschen Klarheit und Sicherheit vermittelt bekommen hat, hat einen zufriedenen, selbstbewussten Ausdruck.